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Kommenden Samstag, den 6. September, empfängt die österreichische Nationalmannschaft anlässlich der 3. Runde in der WM-Qualifikation für 2026 das Nationalteam aus Zypern. Scheiberlspiel.at nimmt den Rot-Weiß-Roten Gegner unter die Lupe, beleuchtet die durchaus traditionsreiche Vergangenheit des zypriotischen Fußballs und die Erfolge seiner Vereinsmannschaften.
Wie in vielen anderen Ländern auch, reichen die Wurzeln des Fußballs auf Zypern bis ins beginnende 20. Jahrhundert und auf britischen Einfluss zurück. Erleichtert wurde dies dadurch, dass Zypern seit 1878 als Protektorat vom britischen Weltreich geführt wurde. Zunächst entwickelte sich vor allem an den Schulen großes Interesse für die neue Sportart. Anfang der 1910er-Jahre entstanden die ersten (Amateur-)Vereine – Anorthosis Famagusta FC machte im Jahr 1911 den Anfang, woraufhin sich immer mehr Klubs gründeten.
Im Jahr 1932 versuchten die führenden Vereine erstmals, eine heutzutage als inoffiziell gewertete Meisterschaft auszuspielen. Doch die Pläne endeten in einem Fiasko – Meinungsverschiedenheiten und Konflikte zwischen den Mannschaften standen an der Tagesordnung. Die Klubs waren sich also rasch einig: Es brauchte eine offizielle Organisation zur Regulierung des Sports. Am 23. September 1934 wurde schließlich die Cyprus Football Association (CFA) ins Leben gerufen, die fortan einen geregelten Spielbetrieb ermöglichte. Die Gründungsmitglieder waren AEL Limassol, Anorthosis Famagusta, APOEL, Aris Limassol, EPA Larnaca, Olympiakos Nikosia, Lefkoşa Türk Spor Kulübü und Trust. Ab der Saison 1934/35 konnte also jährlich ein nationaler Fußballmeister sowie ein Pokalsieger gekürt werden (der Pokal in Zypern wird nicht wie gewohnt zwischen Teams aller Divisionen durchgeführt, sondern ist unterteilt: ein Bewerb für Vereine der ersten und zweiten Liga sowie ein Turnier für Klubs aus der dritten bzw. vierten Klasse). Nach dem Auftakts-Double von Trast AC zeichnete sich bald die erste Dominanz im zypriotischen Fußball ab: Der heutige Rekordmeister APOEL aus der Hauptstadt Nikosia triumphierte fünfmal in Serie.
Aufgrund des Zweiten Weltkriegs lag der nationale Fußballbetrieb von 1941 bis 1945 brach, doch nach Kriegsende erfolgte ein großer Aufschwung. Im Jahr 1948 trat die CFA der FIFA bei und absolvierte am 23. Juli 1949 ihr erstes „Länderspiel“ gegen Maccabi Tel Aviv, das mit einem 3:3-Remis endete. Sieben Tage später folgte das erste richtige Länderspiel gegen Israel. Dieser Auftrieb nach dem Krieg lässt sich auch durch die im Jahr 1960 erlangte Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich, das Zypern bereits 1914 annektiert hatte, erklären. Im darauffolgenden November spielte Zypern das erste offizielle Ländermatch – wieder gegen Israel (1:1), diesmal in der Qualifikation zur WM 1962. Bis 1974 dienten entweder das alte GSP-Stadion im Zentrum Nikosias oder das GSE-Stadion in Famagusta als Heimstätte. Nachdem die CFA 1962 der UEFA beigetreten war, durfte sie ab 1968 an der EM-Qualifikation teilnehmen. Dort gelang Zypern 1968 auch der erste Pflichtspielsieg der Geschichte: Die Schweiz wurde mit 2:1 geschlagen. Der erste Triumph in einem Freundschaftsspiel datiert bereits aus dem Jahr 1963.
Zypern ist für seine Spannungen zwischen dem nördlichen und südlichen Teil des Landes bekannt. Auch im Fußball könnten die Rahmenbedingungen nicht ungleicher sein: Alle heute berühmten Fußballklubs Zyperns sind im Süden ansässig, der Norden kickt isoliert und erhält keine Anerkennung von der FIFA. Nordzypern ist auch als Türkische Republik Nordzypern (TRNC) bekannt und wird – im Gegensatz zu Südzypern – nur von der Türkei anerkannt. Seit Beginn des organisierten Meisterschaftsbetriebs auf der Insel war Çetinkaya Türk S.K. die einzige türkisch-zypriotische Mannschaft in der höchsten Spielklasse. 1955 zog der Verein seine Mannschaft jedoch aus der Liga zurück, um fortan mit anderen türkisch-zypriotischen Klubs einen eigenen Fußballverband mit eigenen Wettbewerben zu gründen. Die Gründe dafür waren politischer Natur, da die türkischen Zyprioten gegen den antikolonialen Kampf der EOKA („Nationale Organisation zypriotischer Kämpfer“) und die angestrebte Vereinigung mit Griechenland (Enosis) waren. Dieser Verband wurde jedoch nie anerkannt, und seine Vereine kicken auch heute noch in völliger Isolation. Zwar gibt es dort sehr wohl eine eigene Meisterschaft, einen Cupbewerb, eine Jugend- und Frauenliga sowie eine eigene Nationalmannschaft; Die Klubs können aufgrund der fehlenden FIFA-Anerkennung aber nicht gegen Teams aus anderen europäischen Ländern antreten, da dies zu mehrjährigen Sperren führen könnte. 2019 gab es eine große Ausnahme: In der Pufferzone arrangierten Mannschaften aus dem Süden und Norden ein Testspiel.
Nach dem Beitritt der CFA zur UEFA konnten zypriotische Mannschaften ab 1963 auch am Europapokal teilnehmen. Und die dortige Bilanz kann sich – für ein sehr kleines Land – mehr als sehen lassen: Seit Einführung des Meistercups 1955/56 standen zypriotische Vereine ganze fünf Mal im Achtelfinale, Rekordmeister APOEL erreichte 2011/12 sogar das Viertelfinale (!) der Königsklasse. Von 1967 bis 1974 konnte Zyperns Fußballmeister in die höchste Spielklasse Griechenlands aufsteigen. Bis dahin stieg die zypriotische Mannschaft immer sofort wieder ab – doch 1974 hielt APOEL die Klasse und Zypern war durch den Titel von Omonia künftig mit zwei Hauptstadtvereinen in der griechischen Liga vertreten. Aufgrund der türkischen Invasion Zyperns in diesem Jahr zogen APOEL und Omonia ihre Mannschaften jedoch zurück.
Nach dem erkennbaren Aufschwung im 21. Jahrhundert und mehreren souveränen Qualifikationen ging es in den letzten Jahren langsam wieder bergab – sowohl mit dem Nationalteam als auch mit den Vereinsmannschaften. In der Quali zur EM 2024 war Zypern seit Langem wieder eines der schwächsten Teams. Auch in der Nations League lief es für die Zyprioten bislang nicht rosig. Fakt ist jedoch: Mit Paphos (rund 20 Millionen Marktwert) stellt Zypern im Gegensatz zu Österreich derzeit einen Verein in der Champions League.
Obwohl auf dem Papier alles für Rot-Weiß-Rot spricht, darf Zypern keinesfalls unterschätzt werden – zu oft wurden die Österreicher in ihrer fußballerischen Historie schon eines Besseren belehrt, wenn ein Gegner nicht ernst genommen wurde. Während die Bilanz auf Länderspielebene (siehe Statistik unten) klar zugunsten Österreichs ausfällt, ergibt sich bei Vereinsduellen ein relativ ausgeglichenes Bild – insbesondere auf zypriotischem Boden taten sich österreichische Klubs immer schwer. Zypern steht in der Gruppe unter Zugzwang. Und vor allem das Auswärtsspiel in Österreich erleichtert die Ausgangslage keineswegs, denn der erste Auswärtserfolg der zypriotischen Nationalmannschaft gelang erst im Jahr 1992.
Für eine Insel mit rund einer Million Einwohnern gibt es auf Zypern einen bemerkenswert starken Fußballbetrieb. Heute sind 78 Vereine direkt mit der CFA verbunden, weitere 300 über lokale Amateurorganisationen. Die heimische Liga bildete seit jeher einen Großteil der Nationalmannschaft, die aktuell weniger als zehn Legionäre zählt. Daher hat sich der nationale Fußballverband zum Ziel gesetzt, die Qualität der eigenen Profiliga kontinuierlich zu erhöhen und insbesondere im Jugendbereich ordentlich nachzujustieren, um für die Zukunft bestens vorbereitet zu sein. Und wer weiß: Vielleicht wird man Zypern ja tatsächlich einmal bei einem europäischen Großereignis sehen – spätestens dann, wenn die WM auf 64 und die EM auf 32 oder 48 Vereine aufgestockt wird.
Österreich | Zypern | |
---|---|---|
Siege/Remis/Niederlagen im direkten Duell | 6 / 0 / 1 | 1 / 0 / 6 |
FIFA Weltrangliste | 22. Platz | 128. Platz |
Gesamtmarktwert | ca. 210 Mio. € | ca. 15 Mio. € |
Trainer (im Amt seit) | Ralf Rangnick (Juni 2022) | Apostolos Mantzios (Jänner 2025) |
Rekordspieler | Marko Arnautovic (125) | Yiannakis Okkas (106) |
Rekordtorschütze | Toni Polster (46) | Michalis Konstantinou (32) |
Erstes Länderspiel | 12. Oktober 1902: gegen Ungarn 5:0-Sieg | 23. November 1960: gegen Israel 1:1 |
Höchster Sieg | 30. April 1977: gegen Malta 9:0 | 15. November 2000: gegen Andorra 5:0 |
Höchste Niederlage | 8. Juni 1908: gegen England 1:11 | 21. Mai 1969: gegen Deutschland 12:0 |
WM-Teilnahmen | 8 | / |
Erste WM-Teilnahme | 1934 | / |
WM-Erfolge | 3. Platz 1954 | / |
EM-Teilnahmen | 4 | / |
Erste EM-Teilnahme | 2008 | / |
EM-Erfolge | Achtelfinale 2021, 2024 | / |
Nationaler Fußballervband | ÖFB | CFA |
Gründung nationaler Verband | 1904 | 1934 |
FIFA-Beitritt | 1905 | 1948 |
UEFA-Beitritt | 1954 | 1962 |
Foto: © AFP